Advent, Advent die Hütte brennt

Freuet euch in dem Herrn allewege, und abermals sage ich:
Freuet euch!

 [Philipperbrief 4,4]

Advent, Advent die Hütte brennt

Für Freude ist momentan bei den viel beachteten Verlierern der deutschen Fußballnationalmannschaft nicht viel Platz. „Der Stachel sitzt brutal tief, gefühlt tiefer als sonst.“, schreibt der Nationalspieler und Bayernprofi Thomas Müller über den Schmerz des Ausscheidens auf Instagram. Die Schlagzeilen Anfang Dezember 2022 hören sich dementsprechend frustriert an.

„WM-Aus:       Deutschland leckt die Wunden – schon wieder“ (tagesschau.de)
„WM 2022:      Blamage perfekt – Deutschland fährt trotz Sieg nach Hause“ (sportschau.de)
„WM in Katar:  Die gnadenlose Streichliste nach dem WM-Aus“ (BILD)
„WM 2022:      Toni Kroos kritisiert DFB Team scharf für fehlende Automatismen“ 
               „Oliver Bierhoff löst nach WM Debakel Vertrag mit dem DFB auf“ (sportschau.de)

 Die Perser sind in aller Munde

Vielen Menschen in unserem Land geht dieses Fußballturnier WM 2022 aufgrund der Terminierung, der traurigen Vorgeschichte und so vielen anderen wichtigeren Herausforderungen am wirklichen Leben vorbei. Und doch spricht und diskutiert man da und dort über die spannungsgeladenen Begegnungen der Kulturen auf der kleinen Halbinsel im Persischen Golf, einem Emirat, das kleiner ist als das Bundesland Schleswig Holstein. Bisher von der Weltöffentlichkeit kaum beachtet, doch wo geschätzte 220 Milliarden US Dollar Bühnenkosten ausgegeben werden, da schaut und hört die Welt für kurze Zeit auch hin. In den Pressekonferenzen, in den vielen Talkrunden und Gesprächsforen taucht ein Thema immer wieder sehr markant auf. Der Umgang mit Fehlern und das gegenseitige Vorwerfen von Fehlern!

Error – lange Fehlerlisten auf allen Seiten

Die Fehlerlisten und Vorwurfslitaneien sind lang. Korruption, Menschenrechtsverletzungen, der Umgang des Emirats Katar mit Frauen, Minderheiten und ausländischen Arbeitskräften. Katastrophale Bedingungen, unter denen die Gastarbeiter die Prachtbauten erstellten. An den Vorwürfen spürt man, dass die WM eben nicht nur ein Fußballturnier ist, sondern ein Schlagabtausch der Kulturen auf einer der teuersten Bühnen, die sich die Welt je geleistet hat. Die Kulturen messen ihre Kräfte und versuchen dort mit ihrem je eigenen Vorwurfstheater zu überzeugen.

Die Litanei der Vorwürfe

Die Europäer werfen dem FIFA-Chef die Verachtung europäischer Werte,  Augenwischerei und Schönrederei vor. Gianni Infantino kontert dagegen und spricht von westlicher Doppelmoral und reiner Heuchelei. Er sagte am 19.11.22 in der Pressekonferenz: „Ich denke, was wir Europäer in den vergangenen 3000 Jahren weltweit gemacht haben, da sollten wir uns die nächsten 3000 Jahre entschuldigen, bevor wir anfangen, moralische Ratschläge an andere zu verteilen.“ Dem Nationaltrainer Hansi Flick wirft man Fehlentscheidungen bei der Mannschaftsaufstellung und mangelndes Leistungsprinzip in der Nationalelf vor. Dem DFB wirft man nach der Vertragsauflösung mit Direktor Bierhoff mangelnde Werte wie Loyalität, Teamgeist, Vertrauen und Zuverlässigkeit vor. Der Nachwuchsabteilung des DFB wirft man vor, dass sie keinen echten Mittelstürmer bis zur WM ausgebildet habe. Der DFB erhebt schwere Erpressungsvorwürfe gegen die FIFA wegen der One-Love Armbinde. Den Nationalspielern wirft man vor es seien „verwöhnte Schnösel“. Manche nennen die ganze WM einen großen Fehler. Die Fehlermeldungen erregen die Gemüter. Gott sei Dank haben wir so viele Fehlerexperten mit analytischem Erkenntnisvermögen. Leider zu spät und leider sind die Fehlerexperten nicht gleich auch die Wiedergutmacher. Die sind sehr rar gesät und werden händeringend gesucht. Von Ballack über Matthäus bis hin zu Sportdirektor Zorc. Wer aber erklärt sich schon gerne für diese heikle Retter- und gleichzeitige Opfermission bereit?

Fehler sind peinlich

Nicht erst seit den deutschen WM Niederlagen 2018 und 2022 lässt sich in unserer Gesellschaft ein sich wiederholendes Verhaltensmuster beobachten wie mit Fehlern und fehlenden Erfolgen umgegangen wird. Wer zu viele Fehler gemacht hat, muss nicht nur Vorwürfe aushalten, sondern gehen. Strafe durch Ausschluss aus der Gemeinschaft der Geehrten. Die enttäuschten Follower, die gekränkte Fangesellschaft braucht ein Opfer und sie sucht einen neuen Retter, der sich der Gefahr aussetzt auch wieder zum Opfer zu werden. Das Dilemma dieses unendlichen Kreislaufs liegt in der menschlichen Fähigkeit Fehler zu machen, denn kein Mensch ist fehlerfrei. Profis bewundern wir gerade deshalb, weil sie mit viel Talent und viel Training in einem bestimmten Bereich Fehler auf ein Minimum reduziert haben. Sie sind eben nicht zu langsam, nicht zu schwach, nicht zu ungeschickt, nicht zu unkonzentriert, verlieren den Ball nicht beim Dribbling und hauen das Leder eben nur relativ selten am Netz vorbei. Ein Fehler wird als Abweichung von einem Standard/Ziel definiert. Zielverfehlungen gehören zu unserem Leben. Die Frage ist nur, wie wir damit umgehen und ob diese Art Ausschlußverfahren wirklich nachhaltig fair ist und für einen konstruktiven Ausweg aus der Misere sorgt?

Die Zielverfehlung gehört im Profisport zu den stärksten Gegnern. Oder anders gesagt: Gewinnen gehört für die Nationalmannschaft zum Standard, d.h. zur Normalität. Wer jedoch zu lange zu wenig Erfolge vorweisen kann, wird von der Gemeinschaft der Erfolgshungrigen ausgeschlossen. Im Team der Erfolg Reichen hat nur Platz wer permanent Höchstleistungen liefert. Das Problem mit den Höchstleistungen ist nur, dass eine Höchstleistung nur solange eine Höchstleistung bleibt, bis sie von einer weiteren Höchstleistung vollständig der Anerkennung beraubt wird. Die Haltbarkeitsdaten der Höchstleistungen werden scheinbar immer kürzer. Der Sieg von heute ist morgen schon wieder Schnee von gestern. Damit verliert aber auch die Anerkennung ihren Entfaltungsraum. Erfolgshungrige und Erfolgsverwöhnte Menschen gewöhnen sich an Höchstleistungen, bis sie zur neuen Normalität werden. Den bisherigen Weg, die Anstrengungen des Alltages, das Erreichte und Gewohnte zu würdigen, fällt uns scheinbar immer schwerer, weil wir die Zeit und Kraft lieber in neue Einzelrekorde stecken, als in gemeinsame Wege zu investieren. Wenn wir uns den Weg der Deutschen Nationalmannschaft einmal ansehen, dann ist das eine beachtliche Erfolgsstrecke, die da gemeinsam zurückgelegt wurde:

25.03.21 WM Quali Dt.-Island 3:0
28.03.21 WM Quali Dt.-Rumänien 1:0
31.03.21 WM Quali Dt.-Nordmazedonien 1:2
02.09.21 WM Quali Dt.-Liechtenstein 2:0
05.09.21 WM Quali Dt.-Armenien 6:0
08.09.21 WM Quali Dt.-Island 4:0
08.10.21 WM Quali Dt.-Rumänien 2:1
11.10.21 WM Quali Dt.- Nordmazedonien 4:0
11.11.21 WM Quali Dt.-Liechtenstein 9:0
14.11.21 WM Quali Dt.-Armenien 4:1

26.03.22 Testspiel Deutschland-Israel 2:0,
29.03.22 Testspiel Deutschland-Niederlande 1:1
04.06.22 UEFA Nations League Dt.-Italien 1:1
07.06.22 UEFA Nations League Dt.-England 1:1
11.06.22 UEFA Nations League Dt.-Ungarn 1:1
14.06.22 UEFA Nations League Dt.-Italien 5:2
23.09.22 UEFA Nations League Dt.-Ungarn 0:1
26.09.22 UEFA Nations League Dt.-England 3:3
16.11.22 Testspiel Deutschland – Oman 1:0
23.11.22 WM Vorunde Dt.- Japan 1:2
27.11.22 WM Vorrunde Dt.-Spanien 1:1
01.12.22 WM Vorrunde Dt. Costa Rica 4:2

Der gnadenlose Kampf um Anerkennung

Unterm Strich sind das in 2 Jahren bei 22 Spielen 13 Siege, 6 Unentschieden und 3 Niederlagen. Klingt doch gar nicht so schlecht, aber in dieser dünnen Luft der Allerbesten ist die Freude scheinbar eine knappe Ressource. Dort oben, wo so viele hin wollen, ist das Klima unbarmherzig und alles andere als lebensfreundlich. Freude ist nur auf den allerhöchsten Triumpfen und Gipfeln für ganz kurze Zeit möglich. Freude wird an Leistung gekoppelt. Sie hat einen Preis. Du musst sie Dir erkämpfen. Wertschätzung gehört dort oben zum Überlebenskampf. Anerkennung und Ehre wird unter den Weltbesten nicht verschenkt, sondern ist an dauerhaftes Siegen und enorme Kraftanstrengungen gekoppelt. Die Qualität dieser Freude scheint sehr fragwürdig. Die Freude des Siegers ist wohl doch abhängig vom Frust des Verlierers. Je tiefer der Fall des Verlierers um so höher der Aufstieg des Siegers. Auch bei dieser Fußball WM wird es keinen Weltmeister geben ohne die vielen Ausgeschiedenen.

Aus-Geschieden

Das Wort spricht Bände. Am Ende steht der Sieger alleine (geschieden von allen anderen) auf dem Podest. Die Ausgeschiedenen bilden interessanterweise häufig die Mehrheit, sogar bei einer Weltmeisterschaft. Die aus dem WM-Turnier Ausgeschiedenen sind in der Regel gut bezahlte Millionäre einer profitablen Unterhaltungsindustrie. Um sie müssen wir uns nicht allzu große Sorgen machen. Da sind aber auch die aus dem Leben ausgeschiedenen Gastarbeiter, wie hoch ihre Zahl auch immer sein mag. Da sind die Ausgeschiedenen in unserem Alltag, die als Opfer herhalten müssen für eigene und fremdverschuldete Fehler. Für Ausgeschiedene fehlt der Gesellschaft das Interesse, die Zeit und die Aufmerksamkeit. Bis auf die eine große Ausnahme. Wenn es um die Frage der Fehlerverantwortung geht, steigt das gesellschaftliche Interesse an einem Opfer, mit dem sich die Gemeinschaft der „Fehlerlosen“ vom Fehlerhaften scheidet bzw. isoliert. Wir erleben hier ein zutiefst religiöses Verhalten. Es gibt kein Sieg ohne Opfer. Die vermeintliche Gemeinschaft der Reinen und Perfekten trennt sich vom Fehlerhaften. Es hat keinen Platz in ihrer Mitte. Ein zutiefst paradoxes Verhalten – die Fehlerhaften trennen sich vom Fehlerhaften und meinen so den Fehler zu beheben.

Der neue Weg – verlieren, um zu siegen

Er, der in göttlicher Gestalt war, hielt es nicht für einen Raub, Gott gleich zu sein, sondern entäußerte sich selbst und nahm Knechtsgestalt an, ward den Menschen gleich und der Erscheinung nach als Mensch erkannt. Er erniedrigte sich selbst und ward gehorsam bis zum Tode, ja zum Tode am Kreuz. Darum hat ihn auch Gott erhöht und hat ihm den Namen gegeben, der über alle Namen ist, dass in dem Namen Jesu sich beugen sollen aller derer Knie, die im Himmel und auf Erden und unter der Erde sind, und alle Zungen bekennen sollen, dass Jesus Christus der Herr ist, zur Ehre Gottes, des Vaters.  [Phil 2,6-11]

Schluss mit Ausschluss

Die Lösung dieses uralten Problems scheint sehr einfach, aber auch sehr teuer zu sein. Der MEISTER scheidet aus statt sich als Welt-MEISTER zu etablieren. Schande statt Ruhm. Trauriger Abgang statt Siegerehrung. Der Held nimmt es in Kauf nicht mehr dazuzugehören. Du kannst einem Wesen, das wesenhaft Gemeinschaft und Beziehung ist keinen größeren Schmerz zufügen als es zu isolieren. Du kannst einem Gott der Liebe keinen größeren Schmerz zufügen als ihn gleichgültig abzulehnen und zu hassen. Dieser Schmerz ein Ausgeschlossener zu sein, war der Preis, den dein Schöpfer als Opfer für dich zahlt, damit Du es niemals mehr sein musst. … und so rettet er durch sein freiwilliges Ausscheiden die ganze Welt von ihrem endlosen anstrengenden Opfer- und Scheidungskult. Weil er durch sein Ausscheiden auf jegliche Anerkennung verzichtet, ist er in der Lage Dich anzuerkennen und diese Anerkennung von jeglicher Leistung loszukoppeln. Seit die Menschheit ihren Menschenmacher ins Aus geschossen hat, ihren Richter hingerichtet, hat sich etwas gravierend endgültig verändert. Es braucht kein weiteres Opfer! Es braucht keinen weiteren Weltenretter! Es braucht keinen weiteren Richter! Die Opfer-, Retter- und Richterrolle müssen du und ich nicht mehr ausfüllen. Wir sind durch seine stellvertretende Aus-Hilfe freigestellt. Was für eine Erleichterung!

Es ist der Gott, der dich in deiner Unvollkommenheit versteht, der deine Lebensgeschichte schreibt und sie mit all ihren Umwegen, Macken und Irrwegen begleitet. Es klingt außergewöhnlich, wie durch IHN eine neue Identität in deinem und meinem Leben zustande kommt. Sie wird nicht mehr erkämpft durch Siege und Höchstleistungen, sie wird empfangen. Du hast es nicht mehr nötig den selbstzerstörerischen Kult deiner Einmaligkeit auf welchen Siegerpodesten auch immer zu zelebrieren. Du wirst mit diesem Kultverzicht auch das traurige Anhängsel deiner Einmaligkeit, nämlich die Einsamkeit los. Fehler wird es weiterhin geben. Sie werden uns weiterhin z.T. schmerzhaft zu schaffen machen. Aus Fehlern darfst du lernen. Fehler dürfen wir auf diesem frischen Rasen der Barmherzigkeit machen und sie neu ins Verhältnis setzen. Wir sind endlich befreit davon uns gegenseitig Fehler vorzuwerfen,  befreit zu einer neuen Haltung – einander das Beste zu unterstellen. Fehlverhalten dürfen wir in dieser neuen Kultur der Freiheit ehrlich zugeben, weil in dieser neuen Welt der Gnade kein Rausschmiss mehr droht. Weil Gott in seinem Sohn Jesus Christus durch sein Erbarmen keinen mehr ausschließt, der sich Ihm in seiner Unvollkommenheit anvertraut. Schwer zu glauben, aber das sind die Tatsachen.

Oh du fröhliche – Freude, die die Welt verändert

Freut euch in dem Herrn. Das ist der springende Punkt. Freut euch in dem Sieger, der für uns zum Verlierer wurde. Freut euch in dem Richter, der dich begnadigt. Freu dich in deinem Retter, der für dich zum Opfer wurde. „Freude ist eine Form des Widerstandes.“ (A.Keys) Es lohnt sich, der Welt und ihrer Ausweglosigkeit eine hoffnungsvolle Alternative entgegenzusetzen. Eine Freude, die geprägt ist von einer großen Freiheit, d.h. unabhängig von Siegen und Kraftakten, einfach deswegen, weil die letzte Instanz, der wirkliche MEISTER dieser Welt, dem wir uns fair-antworten dürfen, ein für alle Mal klar gemacht hat: Du bist willkommen. Du darfst bleiben. Du bist angesehen. Du bist gewollt und von Herzen geliebt. … und dieser Meister des Lebens ruft es allen Weltverbesserern mit ihren verrückten Ideen zu: „Ihr wollt diese Welt besser machen? Ich habe sie neu gemacht auf eine überraschende Art und Weise. Glaubt mir doch! Werdet meine Follower! Imitiert mich! Werdet Teil dieser neuen barmherzigen Welt und ihr werdet sehen wie die Welt sich um euch herum verändert.“

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