Ein Wort zum Abschied

Juni 2023

Ein Wort zum Abschied

So habt nun acht auf euch selbst und auf die ganze Herde, in der euch der Heilige Geist eingesetzt hat zu Bischöfen, zu weiden die Gemeinde Gottes, die er durch sein eigenes Blut erworben hat. (Apg 20,28)

EPISKOP

Die Älteren unter uns können sich vielleicht noch an dieses optische Projektionsgerät erinnern. Man legte ein Papierdokument unter oder in das Gerät. Die Projektionsvorlage wurde beleuchtet und das diffus reflektierte Licht über einen Spiegel durch ein Objektiv auf eine Projektionswand geworfen. Die Weiterentwicklung nennt sich heute Visualizer oder Sofortpresenter. Von Künstlern wird das Episkop immer noch gerne abgestaubt und zum Durchzeichnen von Skizzen verwendet.

Der Gemeindegründer und Hirte Paulus spricht bei seiner Abschiedsrede die verantwortlichen Mitarbeiter mit diesem Wort Episkop[ous] an. In verschiedenen Bibelübersetzungen lesen wir an dieser Stelle ,Bischöfe‘ oder ,Aufseher‘. Der Begriff des Bischofs ist heute jedoch von der Bedeutung her gefüllt mit Amtstracht und Hierarchiedenken. Der Begriff des Aufsehers wird schnell verbunden mit Strenge und Kontrolle.

Ein Episkop[os] ist einer der näher hinsieht. Ein Mensch mit einer gesunden Bescheidenheit, der achtsam wahrnimmt und auch das Unscheinbare, leicht übersehbare bei Bedarf vergrößert. Die wahre Größe eines Menschen zeigt sich nicht selten darin, dass er andere groß macht. Episkopmenschen sind Charaktere mit gesundgeschrumpften Ansprüchen die andere ins Licht stellen und überzeugt sind, dass sie als „Leuchtprojektoren“ Bedeutung haben, weil sie frei sind, sich nicht so wichtig zu nehmen. Die Qualität eines Episkopcharakters hängt entscheidend von der Lichtquelle und seiner Lichttransparenz ab, die aus so einem Leben heraus leuchtet. Und ja, kann schon mal vorkommen, dass ein Episkop heiß läuft. Ist ja Energie im Spiel.

8 AUF EUCH

Interessant, dass hier nicht das toxische Ego, sondern das verbindende Euch im Episkop liegt. Sehr dezidiert wird hier formuliert. Es heißt nicht: „So hab nun acht auf dich selbst“, sondern „so habt (miteinander) acht auf euch selbst‘. Die achtsame Selbstfürsorge ist eingebettet in eine Wir- Gemeinschaft. Der andere ist genauso wichtig wie ich. Fürsorge brauchen wir alle und sie wird gegenseitig gebraucht, wenn sich ein jeder gebrauchen lässt. Und schon ist der Druck raus irgendwie mehr glänzen zu müssen wie der andere. Achtsame Selbstfürsorge ist ein Zeichen von überzeugender Führungsqualität, denn die Gemeinschaft, die gut für sich selbst sorgt, die hat auch Kapazitäten für andere zu sorgen. Wer andere führen möchte, benötigt ebenfalls die Bereitschaft sich führen zu lassen. „Führung ist zu wichtig, um sie nur Führungskräften zu überlassen.“ (B. Oesterreich) Sie ist eingebettet in lebendige Beziehungen und kein Monopol von Alphatieren und Diktatoren.

HEILIGE FÜHRUNGSQUALITÄTEN

Kein anderer macht das besser als der Geist Gottes. Geist formt Materie. Der Heilige Geist formt, führt und schützt in der Rolle des Hirten seine Gemeinde, die hier mit dem Bild der Schafherde vor Augen gezeichnet wird. Der schöpferische Geist Gottes gibt der Herde einen Ort zum Bleiben, einen Weg zum Gehen, ein Ziel zum Ankommen. Er gibt ihr einen Grund zur Einheit, eine Mitte. Nur in der Gemeinschaft kann sie sich von der Fürsorge des Hirten führen lassen. Das wesentliche Ziel des Hirten ist es die Herde zu bewahren und ans Ziel zu bringen auch über abenteuerliche Wege und durch chaotische und dürre Zeiten. Gemeinde Jesu braucht letztlich nicht den Philosophen mit seinen ergreifenden Erkenntnissen, nicht den starken Politiker und Macher mit seinen überzeugenden Argumenten und Taten, nicht den Feldherrn mit seinen unüberwindbaren Waffen und seiner wuchtigen Autorität, sondern sie braucht wie alle Menschen einen Hirten, und seine vertraute Stimme, den guten Hirten der sie zur grünen Aue und zum frischen Wasser leitet.

WERTVOLLER AUFTRAG

Weil der Heilige Geist, (die unsichtbare Präsenz des Hirten Jesu in seiner Herde) diese herausragenden Führungsqualitäten mitbringt, haben die „eingeschalteten Episkopen“ eben diese Weidequalitäten auszustrahlen. In diese Welt hinein, denn Gemeinde Jesu hat genau dort ihren momentanen Weideflächen zugewiesen bekommen ob in der Mega-City oder als Landei, im Dschungel oder in der Wüste. Sie taucht an den unmöglichsten Orten auf, weil sie hier nicht mehr wesentlich an ein Territorium, Immobilien, Traditionen gebunden ist. Daher kann sie in einer großen Freiheit immer wieder loslassen, sich verändern, achtsam ans Licht holen, was ins Licht gehört – die Wahrheit. Gemeinde zu weiden, bedeutet ihr zu dienen. So zu dienen, dass sie gesund leben kann, jederzeit ausreichend informiert ist, mit einer geistlichen Natürlichkeit und einer natürlichen Geistlichkeit ausgestattet, beweglich, glaubwürdig, lernbereit und v.a. mit einem geschulten Ohr für die Stimme ihres Hirten kontaktfähig unterwegs bleibt.

KOSTENPUNKT

Der ehrenamtliche Mitarbeiter vor Ort oder der hauptamtliche Pastor von Ort zu Ort weiß um den Preis der Herde. Die Herde des Hirten ist keine Spielwiese, kein Labor, keine Profilierungsbühne, keine Lightshow, sondern sein Eigentum, sein Körper, mit göttlichem Blut teuer bezahlt. Dieser Preis nötigt den Episkopen immer wieder die Ausdauer ab, gerade in Zeiten wo die Strahlkraft oder Transparenz durch schleichenden Leuchtkraftverlust, beschlagene Mattscheiben, Energiekrisen und Leitungsschäden etc. verloren zu gehen scheint. Die Einladung des Hirten: „Bleibt in mir“ ist eine der herausforderndsten Aufträge, denn es ist leichter zum Hirten zu kommen als bei ihm zu bleiben. Bleiben ist ein Akt der Treue, Geduld und Ausdauer. Damit die Verbindung nicht abreißt, wenn der hauptamtliche Pastor nicht mehr vor Ort ist, braucht es viele berufene Episkope. Leuchtende achtsame Vorbilder, die sich rufen Lassen von der Stimme des guten Hirten, Menschen mit einer Hingabe und Dienstbereitschaft, durch die der gute Hirte seiner Herde zeigen kann, wie er sich das gelingende Leben vorstellt.

So habt nun acht auf euch selbst und auf die ganze Herde, in der euch der Heilige Geist eingesetzt hat zu Episkopen, zu weiden die Gemeinde Gottes, die er durch sein eigenes Blut erworben hat. (Apg 20,28)

bleib bei IHM, du kleine liebe zellen herde bernstadt

ade Euer Tobias

 

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